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RA Lenas Tilman Götz, Schriesheim:

Das Arbeitszeugnis und die Streitigkeiten um Formulierungen vor Gericht

Vor den Arbeitsgerichten wird eine Vielzahl so genannter Zeugnisstreitigkeiten geführt. Es geht dabei in den meisten Fällen um Formulierungen.

Solche Streitigkeiten sind mit den Mitteln der Zivilprozessordnung  m.E. nicht justitiabel. Denn legte man den Maßstab der ZPO an, müsste man über jede bestrittene und hinreichend substantiierte Behauptung bei Vorliegen eines entsprechenden Beweisangebots Beweis erheben. Dies ist in der Regel bei länger andauernden Arbeitsverhältnissen unmöglich. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bezüglich divergierender Leistungserwartung und Leistungsbeurteilung. Der vorliegende Beitrag setzt sich – trotz der kritischen Vorbemerkungen – mit den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Zeugnisberichtigungsprozessen auseinander.

ARBEITSZEUGNIS CHECK

Anspruch auf das Arbeitszeugnis gemäß § 109 Abs. 1 GewO

Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber im Grundsatz aus § 109 Abs. 1 GewO einen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Der Zeugnisanspruch entsteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zeugnis über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist das Zeugnis gemäß § 109 Abs. 1 S. 3 GewO auf „Leistung und Verhalten“ zu erstrecken. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch des Arbeitnehmers indem er ihm ein Zeugnis erteilt, das nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen entspricht (vgl. BAG v. 16.10.2007, Az: 9 AZR 248/07 = NZA 2008, S. 298ff.). Genügt das Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer gerichtlich dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts macht der Arbeitnehmer damit keinen dem Gesetz fremden Berichtigungsanspruch geltend, sondern er begehrt weiterhin die Erfüllung des originären Anspruchs aus § 109 Abs. 1 GewO (vgl. BAG v. 21.06.2005, Az: 9 AZR 352/04 = NZA 2006, S. 104ff., BAG a.a.O.).

ZEUGNIS NEUFORMULIERUNG

Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit

Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zweck. Dem Arbeitnehmer dient es regelmäßig als Bewerbungsunterlage. Für Dritte, insbesondere künftige Arbeitgeber, ist es Grundlage der Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung und sein Sozialverhalten beurteilt. Inhaltlich muss das Zeugnis daher den Geboten der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit gerecht werden (vgl. BAG v. 16.10.2007, Az: 9 AZR 248/07 = NZA 2008, S. 298ff.; BAG v. 21.06.2005, Az: 9 AZR 352/04). Der Arbeitgeber ist dabei grundsätzlich frei in der Wahl seiner Formulierungen (vgl. BAG a.a.O. sowie BAG v. 14.10.2004, Az: 9 AZR 12/03).

„Darlegungs- und Beweislast“ beim Arbeitszeugnis: Wer muss was beweisen?

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitnehmer, der die Erteilung eines bestimmten Zeugnisses verlangt, die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich der Zeugnisanspruch ergibt. Auch im sog. „Berichtigungsprozess“ verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung begehrt, hat daher die hierfür erforderlichen Tatsachen vorzutragen (vgl. nur BAG v. 14.10.2004, Az: 9 AZR 12/03). Denn § 109 Abs. 1 GewO begründet keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern allein auf ein leistungsgerechtes. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen. Dabei ist dem Arbeitgeber zwingend ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der aus den bisherigen Erfahrungen mit anderen Arbeitnehmern und deren Beurteilung resultiert (vgl. BAG a.a.O.). Der gerichtliche Prüfungsmaßstab ist insoweit eingeschränkt. Die dargestellten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast werden in Ausnahmefällen modifiziert. Der Arbeitgeber ist insbesondere an bisherige Erfüllungsversuche (vgl. BAG v. 21.06.2005, Az: 9 AZR 352/04) sowie an ein Zwischenzeugnis gebunden (vgl. BAG v. 16.10.2007, Az: 9 AZR 248/07). Der Arbeitgeber ist bei der Erteilung eines Endzeugnisses in der Regel an den Inhalt eines zuvor von ihm erteilten Zwischenzeugnisses gebunden, soweit die zu beurteilenden Zeiträume identisch sind. Schließt sich nach Erteilung des Zwischenzeugnisses ein weiterer im Endzeugnis zu beurteilender Zeitraum an, darf der Arbeitgeber vom Inhalt des Zwischenzeugnisses nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitgebers dies rechtfertigen. Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast hierfür (vgl. BAG v. 16.10.2007, Az: 9 AZR 248/07).

Bestimmung einer befriedigenden Leistung als Durchschnitt ist willkürlich

Diese Grundsätze werden in der jüngeren Vergangenheit zunehmend in Frage gestellt. Nicht nachvollziehbar ist, warum das Bundesarbeitsgericht eine durchschnittliche Leistung bei der Note „befriedigend“ annimmt und danach die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast vornimmt. Die Bestimmung einer befriedigenden Leistung als Durchschnitt ist willkürlich. Es handelt sich dabei nur um das Notenmittel der üblichen Notenskala. Bedenklich wird diese Rechtsprechung aber spätestens dann, wenn durch Studien belegbar ist, dass der tatsächliche Notenschnitt in Arbeitszeugnissen besser oder schlechter als der vom BAG festgelegte ist. Bereits im Jahr 2011 haben Düwell/Dahl festgestellt, dass bei 802 untersuchten Zeugnissen der Notendurchschnitt erheblich besser als befriedigend war (vgl. Düwell/Dahl, NZA 2011, S. 958). Zutreffend hat dementsprechend das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 21.03.2013, Az: 18 Sa 2133/12 entschieden, dass der Arbeitgeber aufgrund dieser Änderungen der Zeugnisnoten jede Leistungs- und Verhaltensbeurteilung beweisen muss, die schlechter als  „gut-sehr gut“ ist.

Alles bleibt wie bisher: Urteil des BAG vom 18.11.2014 bestätigt bisherige Rechtsprechung

Mit Urteil vom 18.11.2014 hat das Bundesarbeitsgericht nun seine bisherige Rechtsprechung bestätigt (Az. 9 AZR 584/13). Es bleibt dennoch zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht endlich justitiable Maßstäbe für die Instanzgerichte aufstellt und seine bisherige Rechtsprechung an die tatsächlichen Veränderungen des Zeugnismarktes anpasst.

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